Die zentralen Talusfrakturen stellen seltene aber schwere Verletzungen dar, die schwierig zu behandeln sind. Häufiger sind die peripheren Frakturen, die zwar einfacher zu behandeln sind aber dafür häufig übersehen werden.
Frakturen des Fußes
Frakturen des Talus
Inzidenz (Häufigkeit)
Rückfußfrakturen betreffen deutlich mehr Männer. Rückfußfrakturen entstehen in etwa der Hälfte und Frakturen des Mittelfußes in drei Viertel der Fälle bei Verkehrsunfällen und in etwa 20% bei Stürzen. Unter den Frakturen des Rück- und Mittelfußbereichs sind die Kalkaneusfrakturen am häufigsten, gefolgt von Talusfrakturen. Die zentralen Frakturen, d.h. die Körper- und Halsfrakturen entstehen durch erhebliche Gewalteinwirkungen, während die peripheren Frakturen auch beim „einfachen Umknicken“ und damit auch häufig beim Sport auftreten können.
Ätiologie (Verletzungsursache)
Bei zentralen Talusfrakturen entsteht bei dorsalflektiertem Fuß im Augenblick der deformierenden Energie beispielsweise beim Sturz die sehr häufige Talushalsfraktur. Scherkräfte zwischen Tibiavorderkante und dem sehr stabilen Sustentaculum tali, das hierbei wie ein Hypomochlion wirkt, sind dafür primär pathomechanisch relevant. Der gleiche Mechanismus bei plantarflektiertem Fuß scheint für die Korpusfrakturen verantwortlich, kombinierte Rotationskräfte für das Ausmaß der Luxationsform. Zentrale Berstungsfrakturen sind Ausdruck linearer, axialer Stauchungsgewalt. Mehr periphere Frakturen des Processus posterior tali und/oder des Processus fibularis sind vor allem bei Formen der subtalaren Luxation oder bei ligamentären Rotationstraumen des oberen Sprunggelenkes beobachtbar. Abscherfrakturen an der lateralen oder medialen Trochlea tali (talar dome-Frakturen) sind am häufigsten bei Varus-/ Valgusstreß im Rahmen einer Luxatio supinatoria mit axialer Stauchungskomponente nachweisbar. Taluskopffrakturen sind meist Ausdruck einer Chopart-Gelenk-Läsion und entstehen nach eigener Analyse am häufigsten bei Ab-/Adduktionstraumen mit rotatorischen Komponenten des Rückfußes gegenüber der Fußwurzel (s. u.).
Die peripheren Frakturen umfassen die Kopffrakturen und die Frakturen der Processus lateralis, medialis und dorsalis tali. Besonders häufig sind dabei die Frakturen des Proc. lateralis, die auch als „Snowboarder´s fracture“ bezeichnet werden, da sie besonders häufig bei diesem Sport auftreten. Sie werden meist durch indirekte Traumen bei Supinations- oder Pronationsmechanismen verursacht.
Pathomechanik der Talusluxationsfraktur (links) und der Taluscorpusluxationsfraktur (rechts).
Klinik, Symptome
Leitsymptom ist der akut einsetzende Schmerz. Es besteht häufig, aber nicht immer eine Schwellung. Bei vorliegendem Kompartmentsyndrom können auch neurologische Symptome vorliegen.
Diagnostik
Standarddiagnostik sind konventionelle Röntgenaufnahmen und Computertomographie. Die Röntgenaufnahmen werden vom OSG in 2 Ebenen angefertigt. Bei konventionell radiologisch nicht sicher auszuschließender oder bei nachgewiesener Fraktur ist eine 3D-Schnittbildgebung indiziert, die bei uns mittels 3D-Röntgenbilgebung mit oder ohne Belastung erfolgt.
Bei Verdacht auf Kompartmentsyndrom sollte unbedingt die Messung der Kompartmentdrücke mit entsprechenden Geräten (z.B. Permanent Pressure Monitoring System, Stryker™ Corporation, Santa Clara, CA, USA) erfolgen. Als Grenze sehen wir eine Differenz zwischen Kompartmentdruck und diastolischem Blutdruck von 30 mm Hg, d.h. bei geringerer Differenz liegt ein Kompartmentsyndrom vor.
Klassifikation
Taluscorpusfrakturen wurden initial nach Hawkins eingeteilt. Diese Einteilung wurde später im anglo-amerikanischen Schrifttum durch Canale und Kelly um den Typ IV erweitert. Marti und Weber unterscheiden 4 deskriptive Typen der peripheren und zentralen Frakturen.
Klassifikation der Talushals- und -korpusfrakturen unter Berücksichtigung der betroffenen Gelenkebenen.
Bitte beachten Sie: Die folgenden Abbildungen zeigen explizit medizinische Themen in aller Deutlichkeit.
Behandlung
Nichtoperative (konservative) Behandlung
Nicht-dislozierte zentrale Frakturen (Typ 1) können nichtoperativ mit 15 kg Teilbelastung für 6 Wochen behandelt werden.
Operative Behandlung
Dislozierte Frakturen sollten operativ versorgt werden. Talushalsfrakturen werden über einen anteromedialen und anterolateralen Zugang reponiert und Schrauben fixiert werden. Talus-Corpus-Frakturen können sofern der Innenknöchel nicht bereits mitfrakturiert ist durch Innenknöchelosteotomie besser eingesehen und exakter reponiert werden. Processus posterior-Frakturen oder relativ dorsal gelegene Corpusfrakturen werden am einfachsten über einen posterolateralen Zugang freigelegt und verschraubt. Aufgrund der komplexen Frakturmorpholgie ist bei der Versorgung die intraoperative 3D-Röntgenbildgebung sehr hilfreich.
Bei Frakturen des Talus liegt häufig eine Knorpelverletzung vor, die den Heilverlauf erheblich beeinflusst. Deshalb sollte der gesamte Knorpel bei der Versorgung auf jeden Fall genau inspiziert werden. Bei den heute vorhandenen knorpelchirurgischen Möglichkeiten sollten diese Knorpelschäden bereits bei der Akutversorgung adressiert werden da gerade bei frischen Verletzungen die knorpelchirurgischen Maßnahmen besonders Erfolg versprechend sind.
Hawkins IV Fraktur, d.h. mit Luxation des oberen Sprunggelenks (Abbildung a), des Subtalargelenks (Abbildung a) und des Talonavikulargelenks (Abbildung b). Offene Reposition und Schraubenfixation über lateralen (Abbildung c) und medialen (Abbildung d) Zugang. Zusätzlich wurden das instabile Subtalar- und Talonavikulargelenk transfixiert (Abbildung e). Die intraoperative 3D-Röntgenbildgebung zeigt eine optimale Reposition (Abbildung f und g)
Ausprengung eines Knochen-Knorpelfragments von der lateralen Talusschulter (sog. Frlake fracture, Abbildung oben) und Refixation mit Spezielschrauben ohne Kopf (Abbildung unten).
Nachbehandlung
Die Nachbehandlung erfolgt frühfunktionell mit 15kg Teilbelastung für 6-12 Wochen ohne Gips oder Orthese.
Prognose
Die Prognose einer zentralen Talusfraktur ist direkt abhängig vom Frakturtyp, d.h. vom Luxationsgrad, dem Ausmaß der direkten Taluszerstörung, der Gelenkbeteiligung, vom primär begleitenden Weichteilschaden und vom sekundären chirurgenbezogenen Trauma (frustranes geschlossenes oder insuffizientes offenes Vorgehen).